Jahresrückblick 2022

Liebe Leser*innen,

herzlich willkommen zum Jahresrückblick des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes für das Jahr 2022. Die Gesundheit aller Menschen in Niedersachsen fördern und schützen, dies ist unser Auftrag, für den wir uns auch im vergangenen Jahr engagiert haben. Den entscheidenden Anteil daran haben unsere Mitarbeiter*innen mit ihrem Know-How und ihrem Einsatz. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Dieser Jahresbericht blickt zurück auf das letzte Jahr der COVID-19-Pandemie, auf die schwere Erkältungswelle im Herbst. Aber er zeigt auch, welche Themen für uns in Zukunft ganz oben auf der Agenda stehen: Von OneHealth über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels bis zur Vorbereitung auf zukünftige gesundheitliche Krisen. Für diese Themen ist eine enge Vernetzung über Abteilungs- und Fachgrenzen im NLGA aber auch mit anderen Institutionen und Behörden im Gesundheitswesen unerlässlich.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und Entdecken.

Dr. Fabian Feil, Präsident des NLGA

Liebe Leser*innen,

das Landesgesundheitsamt stand im vergangenen Jahr erneut im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, war auch im dritten Jahr der Pandemie rund um das Coronavirus zentraler Ansprechpartner für viele Fragen aus der Landespolitik, den Gesundheitsämtern und von Einrichtungen im Gesundheitswesen. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir neben einer hohen Expertise besonders Verlässlichkeit. Und genau dafür steht das NLGA mit seinen Fachleuten. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich.

Jetzt gilt es, den Öffentlichen Gesundheitsdienst für die Zukunft nachhaltig zu stärken. Der ÖGD-Pakt schafft hierfür die notwendigen Voraussetzungen in Form von Finanzmitteln, Digitalisierungsprojekten und personeller Verstärkung. Die Themen in diesem Jahresrückblick verdeutlichen, dass das Landesgesundheitsamt als zentrale Säule des Öffentlichen Gesundheitsdienstes eine große Bedeutung und Verantwortung für die Gesundheit der Menschen in Niedersachsen trägt.

DR. ANDREAS PHILIPPI

Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung

4 Milliarden

300 Millionen

30 Stellen

300 Millionen Euro: Der Öffentliche Gesundheitsdienst in Niedersachsen wird gestärkt

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Ressourcen des Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in dieser Krise nicht ausreichend waren und ein hoher Investitionsbedarf herrscht. Bereits vor der Pandemie waren die örtlichen Gesundheitsämter und das NLGA zur Bewältigung ihrer gesetzlich festgelegten Aufgaben an der Belastungsgrenze – Sparmaßnahmen führten mit den Jahren zu immer stärkeren Personalengpässen und die technologischen Strukturen waren nicht mehr auf dem neuesten Stand.


Mit dem sogenannten Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst hat die Bundesregierung im Herbst 2020 beschlossen, vier Milliarden Euro für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung zu stellen, um den ÖGD nachhaltig zu stärken. Von diesem Geld profitiert auch das NLGA in Form von Personal und Projekten zur Förderung der Digitalisierung. Hier erhalten Sie einen Überblick, welche Mittel das NLGA bislang erhalten hat und an welchen Stellen sich das Amt bereits verstärken konnte.

Der Bund stellt insgesamt vier Milliarden Euro für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung. Ziel ist, insgesamt 5.000 Stellen zu besetzen. Bis 2026 stehen außerdem bis zu 800 Millionen Euro für Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung.

300 Millionen Euro gehen für personelle Verstärkung vom Bund nach Niedersachsen – mit diesen Mitteln sollen 235 neue Stellen geschaffen werden, davon 144 unbefristet.

Davon profitiert auch das NLGA in Form von rund 30 Stellen, davon 20 befristet bis Ende 2026, die von 2021 bis 2023 besetzt werden. Dadurch wird das Haus in nahezu allen Bereichen breiter aufgestellt .

Gesundheitsberichterstattung

Ärztliches Personal

Klicken Sie auf die Icons, um mehr über die konkreten Stellen zu erfahren und in welchem Jahr diese besetzt werden bzw. besetzt worden sind.

Öffentlichkeitsarbeit

Labor & Sequenzierung

Umweltmedizin

Hausinterne Services & IT

Epidemiologie

Coronavirus:

Wendepunkt

in der Pandemie

100*

0

2020

2021

2022

Infektionsfälle

(100 = 179.078/KW)

Todesfälle

(100 = 369/KW)

* Beide Kurven sind auf den Maximalwert = 100 skaliert


Der Verlauf der Erkrankungs- und Todesfälle seit Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zeigt: In den ersten beiden Jahren hat eine vergleichsweise niedrige Zahl von Erkrankungfällen zu vielen Todesfällen geführt. Dieses Verhältnis hat sich im vergangenen Jahr verändert.

Was ist die Ursache dafür? Warum konnten die Schutzmaßnahmen 2022 noch nicht beendet werden? Was haben wir aus der Pandemie gelernt?

Diese drei Fragen hat Dr. Fabian Feil, Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, im Interview beantwortet.



7-Tage-Inzidenz als Maßzahl - und wenn nicht mehr getestet wird?

Beim Blick auf die Verlaufsgrafik fällt Ende 2022/Anfang 2023 auf, dass die Zahl der Infektionsfälle zurückgeht, die Zahl der Todesfälle aber auf einem höhren Niveau bleibt. Die Situation zu Anfang der Pandemie scheint sich zu wiederholen. Berücksichtigt werden muss aber, dass viele im Schnelltest nachgewiesenen Corona-Infektionen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr durch einen PCR-Test bestätigt werden (mussten) und somit nicht mehr in der Statistik auftauchen.

Um dennoch eine Einschätzung der Corona-Infektionslage unabhängig von Labortestungen zu ermöglichen, haben das NLGA und die AOK Niedersachsen im vergangenen Jahr eine Studie unter dem Titel „PanCHECK-iN“ (Pandemie-Check in Niedersachsen) begonnen.

Für das Projekt werden die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von AOK-Versicherten mit Covid- und Atemwegserkrankungen durch die Krankenkasse auf Landkreisebene zusammengefasst und wöchentlich anonym ausgewertet.

Am Landesgesundheitsamt werden diese Daten bewertet, mit Informationen aus anderen Datenquellen verglichen und dargestellt.

Ein großer Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass bereits vorhandene, ärztlich verschlüsselte Diagnosen genutzt werden. Durch die erweiterte Datenerhebung ergibt sich zugleich ein neuer Überblick über die Fehlzeiten, die mit einer Corona-Erkrankung einhergehen. Die Versichertendaten werden ausschließlich in der AOK Niedersachsen für das Projekt aufbereitet und in zusammengefasster Form an das Landesgesundheitsamt übermittelt. Ein Rückschluss auf einzelne Personen bzw. ein Personenbezug ist nicht möglich.

Die Daten aus PanCHECK-iN sollen zukünftig in den Wochenberichten der ARE-Surveillance veröffentlicht werden. In diesen Berichten informiert das NLGA über die aktuelle Situation der Influenza und anderer Atemwegserkrankungen in Niedersachsen.

Anteil Influenza-positiver Laborproben

2022/23

Erwarteter Wert*

RSV und Influenza: "Eine der schwersten Erkrankungswellen der vergangenen Jahre"

Dr. Fabian Feil,
Präsident des NLGA

Im Herbst 2022 hat eine außergewöhnlich heftige Erkältungswelle ganz Deutschland getroffen und insbesondere bei Kindern zu hohen Fallzahlen geführt. Krankenhäuser und Kinderarztpraxen haben Alarm geschlagen und sind nah an ihre Belastungsgrenze geraten. Zwar waren schwere Krankheitsverläufe die Ausnahme – bei insgesamt sehr hohen Fallzahlen mussten allerdings zahlreiche kleine Patient*innen ärztlich bzw. stationär im Krankenhaus behandelt werden. Hier werfen wir einen Blick in die Daten zu Krankheitserregern sowie Krankenständen und zeigen, wie das NLGA diese erhebt.

Es wird vermutet, dass die heftige Erkältungswelle 2022 in Zusammenhang mit den Corona-Schutzmaßnahmen der vorherigen beiden Jahre steht. Über lange Zeiträume der Pandemie waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten aus infektiologischen Gründen geschlossen, wodurch die Kinder untereinander wenig Kontakte hatten und somit auch seltener mit Erregern in Berührung kamen. Dementsprechend wurden die Immunsysteme in diesem Zeitraum nicht trainiert und sind dann relativ unvorbereitet mit den zirkulierenden Viren konfrontiert worden, die sich schließlich relativ leicht verbreiten konnten. Neben den hohen Erkrankungszahlen war aber auch der Zeitpunkt der Welle außergewöhnlich. Normalerweise beginnt die Erkältungssaison mit Erregern wie RS-Viren (Respiratorisches-Synzytial-Virus) in den Wochen vor dem Jahreswechsel. Kurz nach dem Jahreswechsel sinken die Zahlen dieser Erreger wieder und die Influenza Fallzahlen gehen hoch.

Erreger und Krankenstände im zeitlichen Verlauf

Die Saison 2022/2023 Saison hat dagegen bereits außergewöhnlich früh und heftig an Fahrt aufgenommen. Sowohl die Influenza- als auch die RSV Nachweise haben ihren Höhepunkt bereits im Herbst 2022 deutlich vor dem Jahreswechsel erreicht. Auch die Krankenstände in den Kindertageseinrichtungen waren mit bis zu mehr als 30 Prozent außergewöhnlich hoch. Seit Beginn der Datenerhebung 2006 gab es kein Jahr, in dem Krankenstände von über 22 Prozent erreicht worden sind.

50

Prozent

40

30

20

10

40

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52

01

02

Kalenderwochen

03

04

Influenza

*Grundlage für den erwarteten Wert bilden Daten der letzten vier Saisons vor Corona, von der Saison 2016/2017 bis 2019/2020.

** Siehe unten: Daten zu Krankenständen werden anhand von Kindertageseinrichtungen ermittelt, die ein valider Indikator für Krankenstände in der Gesamtbevölkerung sind. Dadurch erklärt sich die Datenlücke um den Jahreswechsel: Aufgrund der Ferien werden in dieser Zeit keine Daten übermittelt.

RSV

Krankenstände

Wie erhebt das NLGA diese Daten?

Im Rahmen der sogenannten ARE-Surveillance sammelt das NLGA Daten und wertet diese aus – ARE steht dabei für akute respiratorische Erkrankungen, womit Infektionskrankheiten der Atemwege gemeint sind. Das System besteht aus zwei Bausteinen:
1. Ausgewählte Arztpraxen und Krankenhäuser senden Proben von Rachenabstrichen ein, die im Labor des NLGA untersucht werden. So entsteht ein Bild darüber, welche Erreger zurzeit kursieren. Die Stichprobe besteht dabei aus bis zu 250 eingesendeten Abstrichen.

2. Ein durch die Gesundheitsämter in Niedersachsen vermitteltes freiwilliges Meldesystem über den Krankenstand in vorschulischen Kindertageseinrichtungen. Diese teilen dem Gesundheitsamt einmal wöchentlich mit, wie viele Kinder aufgrund akuter Atemwegserkrankungen nicht zur Betreuung bzw. trotz offensichtlicher Erkrankung in der Einrichtung erschienen sind. Im Schnitt tragen rund 350 Kitas zu dem Meldesystem bei, womit von rund 30.000 Kindern ein etwaiger Krankheitsstatus erfasst wird. Das sind rund 15 Prozent der niedersächsischen Kinder im vorschulischen Alter.

Ausbildung am NLGA

Das Landesgesundheitsamt bildet in den Bereichen Verwaltung und Labor aus. 2022 haben Celine Beyer und Lucia Leese ihre Ausbildung zur Biologielaborantin am NLGA begonnen.


Im Interview erzählen sie, wie ihr Arbeitsalltag aussieht und wie ihnen die Ausbildung bisher gefällt.